gufo, 27. Juni 2004 um 02:59:27 MESZ

Zündstoff: Zug fährt ab! Österreich krankt am 78er-Syndrom. Der Teamchef (Krankl) ist ein 78er. Wenn er gehen muss, steht ein 78er (Jara) bereit. Der ORF-Analytiker (Prohaska) ist ein 78er. Der zu Recht gefeierte Meistermacher (Schachner) ist ein 78er. Der Rapid-Trainer (Hickersberger) ist ein verhinderter 78er, der die Heldensagen von Cordoba allerdings stets mit einer gewissen Portion Ironie betrachtet hat.

Es ist keineswegs so, dass diese Männer nicht begreifen, dass die Sportart, die damals – vor 26 Jahren – betrieben wurde, nicht mehr existiert. Natürlich haben sie sich weiterentwickelt und vieles erreicht.

Falsch ist hingegen, dass sie das Maß aller Dinge sind. Dieses wird derzeit nämlich in Portugal neu definiert.

Beispiel Krankl: Sich zu einem einzigen EM-Spiel nach Portugal einfliegen zu lassen, den Rest der EM vom Urlaubsort aus zu verfolgen um dann noch allen Ernstes zu erklären, dass man im Fernsehen sowieso alles viel besser sieht, grenzt an Provokation. Wie auch der Umstand, dass er sich die Testspiele der österreichischen WM-Qualifikationsgegner erspart hat. Mit der rechten Hand über dem patriotischen Herzen die Hymne zu singen und zu appellieren, dass jeder Spieler alles für sein Land geben müsse, ist gut und notwendig. Glaubwürdigkeit entwickeln solche Gesten aber nur, wenn Krankl selbst rund um die Uhr arbeitet und alles gibt. Zum Beispiel in Portugal, wo die Musi spielt. Dort, wo der 65-jährige Idealist Otto Rehhagel beweist, dass man mit Durchschnittskickern den Olymp versetzen kann. Wenn schon Krankl den Puls der Zeit nicht als sehenswert erachtet: Warum arbeitet er dann nicht in dieser Zeit mit seinem Team? Weil die Spieler Urlaub haben, da die Bundesliga bald beginnt.

Bravo. Das ist nicht Krankls Schuld, sondern eine der Ursachen seiner faktischen Resignation. Warum muss diese Meisterschaft im Hochsommer beginnen? Warum ordnet man diesen Betrieb nicht den hoch gesteckten Zielen des Nationalteams unter?

Ganz einfach: In der Bundesliga geben selbstgefällige Vereinspräsidenten, die ihre internationale Unfähigkeit regelmäßig unter Beweis stellen, den Ton an. Keiner der mehr als hundert Bundesliga-Legionäre spielte bei der EM eine Rolle. Trotz dieser Horde an Mittelmaß-Kickern ist kein österreichischer Klub international konkurrenzfähig.

Wozu also verstellen diese Legionäre Eigenbauspielern den Weg nach oben? Weil die Zehnerliga den meist überschuldeten Klubchefs den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Um nicht abzusteigen, holen wir uns lieber da noch einen Slowaken, da noch einen Polen und dort noch einen Belgier. Fußballer, die in Europa allesamt nichts bewegt haben und nichts bewegen werden.

ÖFB-Präsident Friedrich Stickler wünscht sich, dass alle an einem Strang ziehen. Ein frommer, aber unerfüllbarer Wunsch. Weil er sich eingesessenen Funktionären, eingefrästen Statuten, eingerosteten Strukturen kampflos geschlagen gibt.

Der Europa-Express rast mit großer Geschwindigkeit durch Österreich. Ohne anzuhalten. Und bevor die WM-Qualifikation überhaupt noch begonnen hat, ist dieser Zug schon längst abgefahren.

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