Tour de Ruhr - Teil Zwei: Ein neuer Ground ist…



 


mario reise


Tour de Ruhr - Teil Zwei: Ein neuer Ground ist wie eine neue Liebe


Wäre ich ein lebensverneinender Zyniker, dann würde ich anschließen: Anfangs ganz toll und wunderbar, aber dann recht schnell eher eine frustrierende Quälerei ohne Aussicht auf Besserung.

Aber der Reihe nach!

Nach den Belastungen des Vortages war mal länger ausschlafen angesagt und der Rest des Vormittags wurde damit verbracht, dem Bekannten, bei dem ich mich eingenistet hatte, beim Abholen und die Treppe rauf schleppen von Möbelbausätzen zu helfen. Diese wurden bei „Schaffrath“ abgeholt, eine Art Nordrheinwestfälischer IKEA.

So verging die Zeit recht zügig und um 12:30 Uhr wollte ich ja schon einen Münchner HSV-Kumpel aus Killis legendärer „Alpenhorde“ am Bahnsteig in Empfang nehmen. Das klappte zwar nicht, aber man begegnete sich immerhin auf dem Weg zum Gleis vom Regionalexpress nach Gelsenkirchen. Diese Fahrt ist in der 8,80 Euro-Eintrittskarte netterweise inkludiert, ansonsten würde die einfache Strecke Düsseldorf-Gelsenkirchen fast 8 Euro kosten.

So wurde ich dann auch gleich die erste der vier Eintrittskarten der in Wien gebliebenen Tagediebe los, die nächsten beiden sollten am Bahnhof Gelsenkirchen ihre Abnehmer finden. Dies erwies sich aber als recht knifflig, denn dort wird strikte Fantrennung groß geschrieben. Kommt man die Treppe vom Bahnsteig runter, weisen einem gutbewaffnete grüne Helfer den Weg. Schalke-Fans zum Haupteingang vorm Bahnhof und dort mit Linienbussen und Straßenbahnen („U-Bahnen“) zum Stadion, HSV-Fans zum Hinterausgang und mit speziellen Shuttle-Bussen direkt zu ihrem Stadion-Eingang. Schlecht, wenn man als Treffpunkt das Gleis des ankommenden Zuges bzw. das Reisecenter am Bahnhof ausgemacht hat.

Nach einigen Diskussionen mit den Herren in schlammgrün und Telefonaten mit den Kartenempfängern, die ich noch dazu nur online kannte, konnte das Problem gelöst werden. Endlich ließen wir uns, die Gruppe war mittlerweile schon deutlich angewachsen, zum entsprechenden Ausgang abdrängen. Nur waren da keine Shuttle-Busse mehr, so dass wir der Anordnung der Ordnungshüter entsprechend nun doch mit den Schalkern straßenbahnfahren mussten. Natürlich eh alles kein Problem.

Am Stadion angekommen, gingen die anderen alle nach einer kurzen Orientierungsphase zügig zu unserem Eingang, der sich als ewig langer, völlig geschlossener Plexiglasschlauch durch den man direkt zum Stehplatz-Gäste-Blockeingang gelangt, präsentierte. Sehr gemütlich, was geht da eigentlich normalerweise ab, werden die Gästefans von den Schalkern regelmäßig durch das halbe Ruhrgebiet gejagt, so asozial kamen mir die eigentlich nicht vor und ich war den ganzen Tag in voller Montur mit Trikot und Schals.

Ich wartete freilich noch auf Trikotabholer Nummer 4, dieser war mein alter Freund Micha, den ich das letzte Mal vor einigen Jahren auf meiner Donauinsel-Geburtstagsgrillparty gesehen hatte. Der kam ca. 10 Minuten vor Spielbeginn, als ich bereits kurz vom durchdrehen war, endlich an. Wir stürmten zum Eingang, durch die Sicherheitskontrolle, den elektronischen Einlass mit Drehkreuzen und den Schlauch in den Block. 3 Minuten vor Spielbeginn waren wir wirklich drin und konnten uns sogar noch ein gutes Plätzchen im randvoll gefüllten Block sichern. Dieser Block ist, na wer erräts, ein Plexiglaskäfig, von dem man aber wenigstens hervorragende Sicht aufs Spielfeld hat. Allerdings vermute ich mal, dass man in der Arena von allen Plätzen sehr gute Sicht hat, durchaus vergleichbar zu genial konstruierten AOL Arena. Die aber ohne Plexiglas auskommt.

Und in der man sich praktisch völlig frei bewegen kann. Das geht natürlich auf Schalke nicht, es gibt nur einen Gastrobereich und an den Bier- und Wurstständen kann man nur mit der „Knappenkarte“ bezahlen. Diese muss man vorher für 5 oder 10 Euro erwerben und kann die mit EC-Karte wieder aufladen und so ein Schmarrn. Im Gästeblock ist das wohl das saudümmste was man sich vorstellen kann. Man muss sich in der Halbzeit zwei mal anstellen, wenn man ein Bier oder eine Wurst haben will, erst bei der Knappenkarte-Ausgabe und dann bei den eigentlichen Ständen. Wir haben natürlich sofort mit Konsumboykott reagiert.

Das Stadion selbst hat trotz des Hallencharakters einen brauchbaren Eindruck gemacht, der Videowürfel über dem Mittelkreis liefert Bilder in bester Qualität, so was ist durchaus genial. Der Support der Schalker war ganz o.k., aber nix besonderes. Choreografie gab es keine, richtig überzeugend war nur das „Schaaaaaaaaalke“ von der ziemlich großen Stehplatztribüne hinter dem einen Tor, das mit „Nuuuuuuuuull Fiaaaaaa“ von der gegenüberliegenden Tribüne beantwortet wird. Wenn das in ordentlicher Lautstärke paar Minuten durchgezogen wird, dann kann das schon was. Ausverkauft war es natürlich auch, aber das dürfte es wohl immer sein, die paar nicht durch Dauerkarten belegten Plätze gehen an die Gästefans, wenn die mal paar Sitzer zurückschicken, dann können mal einige Plätze auch in den freien Verkauf gehen, aber so etwas wie Kassenhäuschen gibt’s da gar nicht!

Zum Spiel: Sehr starke erste 10 Minuten vom HSV, Mahdavikia sehr spielfreudig, auch Kling mit einigen guten Vorstößen, von Schalke kam erst mal gar nix. Dann aus heiterem Himmel aus einer Ecke das 1-0 für die Heimmannschaft, bei dem das obligatorische Chaos in der Hamburger Hintermannschaft kräftig mithalf. War wohl letztendlich sogar ein Eigentor.

Hamburg antwortet mit wütenden, aber konzeptlosen Angriffen. Und die Schalker beginnen ihr Konterspiel, das mich schlimmes erahnen ließ. Bitte nicht schon wieder ein Tor vom Glieder Edi ausgerechnet gegen uns. Selbiger war es nicht, aber schon wenige Minuten nach der Führung hieß es 2-0 Schalke. Kontersituation, alle Hamburger Verteidiger extrem passiv, der Schuss knallt an den Pfosten und Sand drückt ihn über die Linie.

Hass. Eigentlich könnte man jetzt heimfahren, das war mir schon klar. Die Auswärtsleistungen der letzten Wochen mit dem 0-3 in Rostock und dem 0-2 in Gladbach gaben absolut null Grund zum Optimismus. Da halfen dankenswerterweise die Schalker jetzt etwas nach, denn irgendeiner von denen mäht Kling im Strafraum auf sehr plumpe Art um, Elfer, Mahdavikia bombensicher zum 1-2. Jetzt hatte man wieder das Gefühl, da könnte doch noch was gehen, die Schalker wirkten kurzzeitig verunsichert, daraus müsste man Kapital schlagen. Doch stattdessen lässt Wächter in bester Kahn-Manier einen Kullerball eines Schalker Nachwuchsspielers durch, das 3-1 war der Todesstoß.

Dementsprechend lief dann auch die zweite Halbzeit enorm ereignisarm ab, Romeo versemmelte noch paar Chancen, aber das einzig zählbare in Halbzeit zwei bestand aus dem 4-1 der Schalker, welche zwar nicht überzeugten, aber gegen den chronisch auswärtsschwachen HSV relativ mühelos gewannen ohne zu glänzen. Somit bleibt als Fazit nur: Stadion erfolgreich besichtigt, alles ganz nett, wenn nur das Spiel nicht gewesen wäre. Ein zweites Mal tu ich mir den Stress da an Karten zu kommen, aber eher nicht an. Da müsste es in dem Spiel fürn HSV schon wirklich um entscheidendes gehen...

Nach dem Spiel gingen wir zu Michas Auto, den Weg hätte ich in voller Montur jetzt nicht so gerne gemacht, wenn wir die Bagage besiegt hätten, so lief aber auch das friedlich ab. Die übrigen HSVer wurden direkt in die Shuttle-Busse zum Bahnhof verfrachtet. Jetzt wurde mir auch klar, wieso Micha so lange zum Stadion gebraucht hatte, alle Parkplätze in Arenanähe kosteten lächerliche Preise von 20 Euro und so! Anreise mit öffentlichen Verkehrmitteln enorm ratsam, da man mit der Eintrittskarte ja eh durch halb Westdeutschland gratis anreisen kann.

Wir entschieden uns spontan nach Oberhausen zum CentrO und zum Gasometer zu fahren. Das CentrO ist nach eigenen Angaben „Europas größte Shopping-Mall“. Ist wirklich verdammt groß, allerdings viel zu viele Schuhgeschäfte für meinen Geschmack. Der Gastrobereich „Coca-Cola Oase“ bietet so ziemlich alles, was man sich wünscht, nachdem ich ja mangels Knappenkarte im Stadion nichts essen konnte, war da jetzt die obligatorische Wurst überfällig. Gegen 20 Uhr schlossen die Geschäfte, tja deutsche Ladenöffnungszeiten gelten halt auch für monströse Malls nach amerikanischem Vorbild. So quatschten wir erst beim Cappuccino und dann gleich professionell im Steakhaus bei riesigen Steaks über alte Zeiten, jüngste Exkursionen in ferne Länder, die Probleme während der Regenzeit in Malaysia, zukünftige Projekte und dergleichen.

Nach dem CentrO wollten wir noch schauen, was es in dem riesigen Gasometer zu sehen gibt, gerieten aber mit dem Auto in eine riesige Menschenmenge, die gerade von irgendeinem türkischem Event in der dem CentrO angeschlossenen Veranstaltungshalle mit dem schönen Namen „König Pilsener Arena“ kam. In dieser Halle spielt übrigens auch der Tusem Essen Handball. Der Gasometer war im übrigen dann zu, aber im Mai wird’s da offenbar wieder was tolles zu sehen geben. Man kann tagsüber auch jetzt oben rauf, was sich bestimmt ausblickstechnisch lohnt, denn das Ding ist doch ne Ecke größer als seine Wiener Kollegen.

Mittlerweile war es schon halb 12 und Micha brachte mich noch zum Bahnhof Oberhausen, um dann nach Kassel zurückzufahren. So spät sind die Zug- und S-Bahnverbindungen aber nicht mehr so toll, mit Umsteigen in Duisburg kam ich erst kurz nach Eins in Düsseldorf an, wo sich Teens am Samstagabend treffen, war mit nach dem Tag relativ egal, sofort zurück zur Wohnung und ab in die Heia. Denn auch der nächste und letzte Tag sollte noch ein Highlight bringen und wer weiß, was die Nachtzugfahrt bringt und überhaupt...

Und um an das Einleitungsmotiv anzuschließen: Selbstverständlich bleibe ich trotz des Debakels auf Schalke (und der gestrigen 0-2 Heimniederlage gegen die ekelerregenden Dortmunder) weiterhin realitätsverweigernder Berufsoptimist und fahre am nächsten Wochenende (fast) ohne zu murren zu TSV 1860 – HSV. In ein Stadion in dem ich schon so viele furchtbare und beschissene Momente erlebt hab, dass es auf einen mehr oder weniger nicht mehr ankommt. Und sollte es meinen ersten Sieg auf der verseuchten Erde des von Schwefelgeruch umwehten Olympiastadions geben, dann werde ich ein sehr glücklicher Mensch sein.



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und wieder ein eeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeewig langer groundhopper bericht

probiers mal im taschenbuchformat (dave´s kurzgeschichten)

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ach geh, dave´s hirnwichserein sind mir genauso ein lieber spass wie deine handy-news ;-) copy+paste! ;-) da lob ich mir doch einen menschen, der uns an seiner lyrischen passion teilnehmen lässt! bussi, mario! bussi, gerf!

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form und stil erinnern an den jungen adalbert stifter ("geschliffene steine") , inhalt an danny boyle, die figur selbst dürfte ein schrulliges original sein...:-)

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@gerf.

auch wenns dir unvorstellbar scheint: es lesen tatsächlich leute im blog postings mit mehr als 150 zeichen.

könntest du dich dazuzählen hättest du bemerkt dass das ganze wohl mehr reise als fussball ist.

auch deine tagediebeversion dürfte über eine scrollfunktion verfügen.

sorry, ich will dich da wirklich nicht blöd ansteigen, aber deine sudarei über zu lange berichte nervt mindestens so wie die berichte dich.

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...90er jahre sentimentalitätsthread
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