Hamburgs Bewegungsmelder



 


Hamburgs Bewegungsmelder


Hamburgs Bewegungsmelder


Fahrradreifen werden aufgepumpt, Sonnenbrillen hervorgekramt und Parks wieder frequentiert. Die Röcke werden kürzer, die Blicke länger, der berüchtigte Duft ist allgegenwärtig, die Damenwelt bezirzt und die Männerwelt flippt. Spätestens jetzt muss es jeder bemerkt haben: Es ist Frühling!

Es tut sich also wieder einiges im Lande. Der Frühling ist angekommen, treibt die Gemüter nach oben und die Leute nach draußen. Es gibt also wieder einiges zu berichten: Alles begann mit dem Besuch in Wien ('Nacht und kein Nebel, klare Sicht') und endete mit einem Live-Gig im Molotow in Hamburg ('Ausgeraucht').

Dazwischen lagen einige flüssige Abende in Eferding, Wien und vor allem in Mönchengladbach und Göttingen. Traf man sich am Donnerstag noch im Bach zu blutiger Nase und Wodka, so wurde schon der Freitag für eine ausgedehnte Reise - Wien-Linz-Hörsching-Köln-Mönchengladbach-Göttingen - genutzt. Die gefühlte Mittelohrentzündung und monströse Melone zwischen den Schultern sowie der Nachdurst konnten nicht verhindern, den HSV - beim schlechtesten je gesehenen Bundesligakick mit dem wichtigen, richtigen Ergebnis - zu begleiten.

Der darauffolgende Tag - Sonnensamstag - wurde verwendet, um sich von Matse durch die beschauliche Göttinger Gegend (Innenstadt, Burg Blesse, Traditionsuniversität) geleiten zu lassen. Die 30-iger Feier am Abend eröffnete mir dann Zugang zu bisher unbekannten Traditionen wie z.B. das Treppenfegen - der Jubilar, ein Junggeselle, fegt den zuvor satanisch verteilten Mist so lange die Stufen kreuz und quer, bis ihn eine Jungfrau durch Kuss erlöst. Tja, eine Jungfrau mitten in einer Studentensiedlung zu finden, kann mitunter sehr sehr lange dauern.



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"Nacht und kein Nebel, klare Sicht (06.04.2007)

Nacht, 03:09. Ich bin gerade nach Hause gekommen, einen schönen Abend hinter mir, wie eigentlich immer zuletzt. Ich fange aber lieber vorne an. Also; ich hatte kurzfristig einen Heimflug gebucht, um die Osterfeiertage im Schutze der Familie zu verbringen. Das herrliche Kaiserwetter am Flugtag war passend zu der Ankunft in Wien und so überkam mich in Schwechat aufgeschlagen das gewohnt berauschte Gefühl wieder Heimat zu spüren. Dieses Gefühl, es war durch keine Droge nachzubauen, war einzigartig und ohne Möglichkeit darauf hängen zu bleiben. Es hielt immer unterschiedlich lange, aber, wichtiger, es kam jedes mal und jedes mal auch knochenmarkdurchdringend. Es bog mein Rückgrat nach vorne, mich nach oben und brachte das Lächeln auf die Lippen. Ich war also wieder in Österreich, in Wien, es konnte los gehen, Kollegas wurden informiert, der Abend verplant und die Nacht zur Schlacht gemacht. Wir mit uns, gegen alle und nichts und Hauptsache zusammen.

In Wien quartierte mich Gigi in seiner Altbau Esoterik-Yoga-Wohlfühl-WG ein. Das Willkommenheißen wie immer herzlich; eine Umarmung und die Gewissheit, dass Ungesagtes schon längst gedacht wurde, beiderseits. Doch die letzten Tage schienen hart für Gigi. Er wirkte gerädert und ein wenig schwer im Schritt. Am Vortag hatte er eine ausgiebigere Sauftour hinter sich gebracht, bis in die Morgenstunden, musste obendrein noch arbeiten, war leicht erkältet und dennoch gut gelaunt. <>, dachte ich, <<einfach bewundernswert, ein Stück zum abgucken.>>

Einige Worte später wussten wir schon was bzw. wo es zu tun war. So machten wir uns bereit. Ich steckte noch einige gute Euro in die Hosentasche und ließ das Portmanier bewusst zuhause. Ein Fehler, wie sich später herausstellte.

Aufwärmtratsch im Kaffee Latte, schön Essen und Bier tanken. Man war ja schließlich sparbewusst, die Gerste wurde teurer und man musste bunkern. Wir philosophierten über verschiedenste, teils geniale, teils abstruse Geschäftsideen, Patentrechte und alles was wir sind, immer werden und nicht werden und noch erreichen wollten, eine Reflektionsstunde im kleinen Kreise also. Kurz, es war Nostalgie, Selbstschöpferisches und viel Blech dabei. Eigentlich wie immer, alles schon bekannt, tausendmal und dennoch, jedes mal aufs Neue die Momente, in denen man Latentes auszudrücken und sich zu vergeistigen vermochte.

Danach gings weiter ins Donau, ein Schuppen, der als Kifferbude verleumdet war. Das Interior, einfach genial, wurde von verschiedenen Stellen mit Beamern beflutet, war farbenfroh, bunt und bot Chill-Out-Flair in Kombination mit technischem Superwissen, wie man einen Raum durchgängig, ohne Bruchstellen, digital bemalen konnte. Wir tranken weiter, blieben beim Bier, der ökonomische Gedanke der knappen Gerste sollte im Vordergrund bleiben.

Kev und Achi stießen zu uns. Der eine schien aufgeladen, als hätte er die gesamte Fastenzeit auf diesen Abend hingehungert, um sich dann mit Gerstensaft vollladen zu können, der andere, sein Haupt durch Stetson-Hut bedeckt, ließ zwischen Wucherwuchs und halbverborgenem Blick eine freudig verschmitze Fortgehlaune hervorblitzen. Es konnte also losgehen, auf ins Flex.

Die Schilderung des Flexaufenthalts fällt schwer. Die Kehrseite der Sparsamkeit, zuviel Gerste führt zu wenig Erinnerung, lag zwischen zwei abgetrennten Filmenden. Eigentlich auch nicht weiter schlimm, da es einer unter vielen Abenden war; das üblich Üble mit Bier, Tanzversuchen und teils guten, teils peinlichen Gesprächen. Als Addon wurde diesmal auch die V.I.P.-Lounge flankiert. Diese allerdings bot keinen Alkohol, dafür aber eine Menge uninteressanter Insassen. So brachten wir den Abend zu Ende und der Abend uns per erster U-Bahn ins Bett. Dankend nahm ich Kevs Angebot, bei ihm zu übernachten, an.

Nach wenigen Stunden schlechten Schlafs fing es an in mir hochzukeimen. Ich hatte schließlich mein Handy im Donau liegen lassen, was bedeuten würde, keine Chance zu haben Gigi zu erreichen und somit keinen Koffer, keine Kleidung, keine Portmanier, somit keine Kohle und keine Aussicht heimzukommen. Dazu kam noch der Unmut des Handyverlustes – keine Telefonnummern, keine Simkarte, Handy sperren lassen, zig Formulare ausfüllen, stundenlange Warteschlangen und der obligatorische Bürokratiestress. Panikartige Aufstehversuche wechselten sich mit ‚Noch einmal umdrehen, die Welt dreht sich auch später noch’ ab.

Letztlich schaffe ich doch den Sprung aus den Federkissen, weckte Kev und orderte Kaffee. Der letzte Abend wurde rezensiert und ich teilte ihm mein Situationsleid mit. Wir rauchten und tranken bis plötzlich das Festnetzfon klingelte. Kev ging zum Hörer und hob ab. Als ich bemerkte, dass es Gigi war, der da anrief, war ich erfreut, aber verdutzt. Eigentlich unmöglich, er kannte Kev kaum, geschweige denn seine Festnetznummer. Kev überreichte mir den Lauschlappen: <<Hey, hab dich vorhin schon ein paar mal am Handy angerufen. Jetzt ist nur mehr deine Mailbox dran, aber um neun Uhr, da hob ein Russe ab.>> Er meinte wohl mich damit erschrecken zu können, nur war ich zum einen noch nicht geisteswach genug und zum anderen überaus erfreut, überhaupt in Kontakt mit dem Menschen zu stehen, der in seiner Wohnung mein komplettes Leben – meinen Koffer – beherbergte. Er war also nicht schon ohne mich losgefahren und hatte Kevs Nummer über abstruse Wege ausfindig machen können. Bevor ich antworten konnte: <<Nein, ... dein Handy lag schön drapiert auf dem Tisch neben Ascher und leeren Biergläsern, ich habs natürlich mitgenommen. Gehen wir um 12.00 in´s Maschu essen?>> Meine Stimmungslage wurde sonnenüberflutet, alles sollte gut werden, mein Tag war gerettet. Aller Stress abgewendet. <<12.00 passt perfekt, ich lad dich ein.>> Noch schnell Zigarette, Kaffee, Resttratsch, Danke Kev, Umarmung, ich musste los.

Nach dem Essen flanierte ich noch ein Stück durch Wiens 7. Bezirk, las ein Buch im Museumsquartier und wartete, bis Gigi mit Arbeit fertig war. Danach eine kalte Dusche für ihn, eine warme für mich. Nach diesem Abend konnte ich nicht auch noch Härte gegenüber mir zeigen.

Schön wars. Jetzt aber auf zum Westbahnhof und auf in die engere Heimat. Zeitung, Schlaf nachholen und ab zu den Großeltern, sich wieder ‚gesund’ pflegen lassen, was auch bitter nötig war, sollte es doch fließend weitergehen.

Der Anfang wurde ins Zantoni verlegt, der letzten in Eferding übergebliebenen Kneipe – klammert man das von verlorenen Existenzen besetzte Askot und das aus jeglicher Kategorie a priori auszugrenzende Aufwind mal aus. Im Zantoni bekam mal alles was Eferding zu bieten hatte, nichts, aber auch gar nichts Neues und noch weniger Aufregenderes. Also siedelten wir später doch noch ins Aufwind um. Dort eingetreten konnte ich noch nicht mal <<ein großes Bier, bitte.>> sagen, hörte ich es schon schräg hinter mir krachen. Zwei halbjunge Halbstarke halbierten sich, es flogen Gläser, Scherben krachten zu Boden. <<Willkommen zu Hause!>>, dachte ich.

Am Heimweg stöpselte ich den Ipod an. Verstärkt durch ‚Vindicated’ von Dashboard Confessionals überkam mich der plötzliche Zwang, tanzen zu müssen. Ich wippte heim, schlenkerte durch die Gassen, überschwänglich, riss die Arme in die Luft und schrie mein Glück zum Himmel, während ich mich kreisdrehend verlor. Es erinnerte an zahlreiche furchtbar kitschige 80-iger Jahre Hollywoodproduktionen. Der Frühling kam und mit ihm verstärkte Eindrücke und auch Erinnerungen. Ich roch Landluft, das aufkeimende Gras, lebendige Erde, die Rapsfelder zur Rechten und den kleinen Fluss - die Aschach - zur Linken.

Solche Momente sind wohl selten, aber wenn, dann umso intensiver. Ich stellte mir die Frage, wie es anderen in solchen Situationen ergeht und wie diese dann erlebt und gefühlt werden. Ich grübelte noch eine Weile, bis ich mich wieder dem Moment hingab und ihn verinnerlichte. Es war genau solch kurzes Aufflackern, das man sich im Bewusstsein halten musste. Es konnte vieles entschädigen, einiges glatt bügeln und die Speicher neu befüllen.

Zurückblickend war diese Auffrischung bitter notwendig: Zu aller erst das Osterwochenende in Eferding, das Hauruck in Wien und dann das Intermezzo in Köln und Göttingen. Alles sollte nicht so ganz spurlos vorbeiziehen."

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"Ausgeraucht (19.04.2007)

Der Weg ins Molotow führte über eine schmale Treppe runter in den Veranstaltungskeller. Unten angekommen, wurde man von einem echten Delikatclub empfangen. Hamburger Szenenkult vom Feinsten. Polygoner Zuschnitt, verschachtelt, nicht zu eng, 2 Bars und das Interior mit viel Liebe verziert. An den rotbemalten Wänden hingen Plakate, um die Tanzfläche rum waren zahlreiche Buntlichter an Drahtseilen gespannt und inmitten eine unscheinbar dicke Discokugel. Dazwischen wurden 70-iger-Jahre Tapeten und einige kleine Gimmicks sowie weißumrandete rote Sterne drapiert. Es wirkte gewachsen, nicht in Eile zusammengestückelt und hatte Flair. Mir fiel sofort die witzig aussehenden Eisenkäfigkonstruktion ins Auge, hinter welcher der Mischer Platz nahm.

Ich wollte mir noch Zigaretten besorgen, Live-Nahrung eben. Dabei fiel mir ein, dass es in Hamburg zum einen Zigaretten nur an Automaten, nie am Tresen gab und zum anderen, dass man bei diesen für den Kauf eine EC-Karte oder EU-Führerschein zwecks Altersauthorisierung benötigte. Beides hatte ich natürlich nicht vor Ort und so musste ich zur nähst gelegenen Tanke marschieren. Dabei kam mir die Frage in den Sinn, ob sich ein Führerscheinentzug so womöglich auch auf den Rauchkonsum auswirken könnte. Keine EC-Karte, kein Führerschein, keine Zigaretten - so einfach war das.

Zurück im Molotow standen schon Marathon, die Vor-Vorband, auf der Bühne. <>, dachte ich und hörte aufmerksam zu. Es war jedoch nicht derart fesselnd, sodass ich die Zeit nutzen konnte, um beim Merchandise-Stand vorbeizugucken. Dort stießen mir sofort die 4 Exemplare der auf 1.000 Stück limitierten ersten The Kilians EPs ins Auge. <<Nur 1000 Stück>>, dachte ich, <<wie cool, so eine musst du haben!>> und so fragte ich emsig: <<Sind das schon die letzten 4 übrigen Stücke der EP?>> Der junge, blond gelockte, Kiliansshirt-tragende Kerl hinter der Bierbank guckte mich verdutzt an: <<Nein, wenn du eine haben willst, dann bekommst du das zweite überhaupt verkaufte Stück.>> Er fing an zu grinsen. Ich auch: <<Alles klar, her damit!>> Er streckte mir die EP, ich ihm das Geld rüber, während ich sein Shirt näher musterte: <<Habt ihr das nur in Schwarz?>> Leider ja und so diskutierten wir noch kurz über die passendere Farbwahl zu dem weiß-violetten Kilians-Logo, bis ich mich wieder in Richtung Bühne aufmachte.

Noch immer standen die Marathons am Holzdeck. Das einzig Beeindruckende bei den Marathons war die Stimme des Sägers. Diese wirkte, als wäre er in den London-Suburbs geboren, hätte dort seine erste Zigarette geraucht, das erste mal Whiskey probiert und seine Unschuld verloren. Sie wirkte richtig authenthisch. Der Rest allerdings war Sub-Standard und so füllte sich der Saal erst, während die Marathons schon ihren Abtritt vorbereiteten.

Der Umbau zwischen den Bands war nett geregelt. Die ohnehin gnomenhafte Bühne wurde mit einem braunen Fetzen verhüllt, dahinter die Artisten völlig unverhüllt eigentlich, Instrumente stimmend, Verstärker und Effektgeräte einstellend, Klinkenstecker und stromverkabelnd. <<Gute Lösung>>, dachte ich, <<hat was!>>

Der Vorhang lüftete sich und der junge Kiliansänger eröffnete in Altmanier: <<Wir fangen einfach mal mit einer Rückkopplung an.>> Und so ging es schnell zur Sache, man konnte sich des Mittippens kaum entziehen. Wie üblich fiel mein Blick erst zuletzt auf den Drummer. Er trug ein Grand-Hotel-Van-Cleef-Shirt. Ein typischer Stockschwinger; im Hintergrund Grimassen schneidend, die Zunge durch den Mund kegelnd, während er Ansätze zum mitsingen zeigte und der Band durch mitfieberndes Kopfnicken den nötigen Rhythmusrückhalt gab. Schlagzeuger eben. Meist unterschätzt, meist unbemerkt und das Rückgrat jeder Band. Bricht er weg, wird die Combo bewegungsunfähig. Ähnlich dem Bassisten. Diese Zwei, die Unauffälligsten sind es, die entscheiden, ob die Masse mithüpft, mitwippt oder schlicht abschlafft.

Ich konzentrierte mich wieder auf den Sänger. Gerade Abitur gemacht, meinte er. Jung also, war er, aber umso professioneller, abgeklärter und vereinnahmender wirkte er. Er schnallte sich eine Gitarre um und leitete den letzten Song der Killians ein: <<Wir werden immer gefragt, warum wir mit DREI Gitarren spielen. Das hat ZWEI Gründe. ERSTENS können wir es nicht anders und ...>> Vielleicht Kalkül, vielleicht Zufall, jedenfalls gefiel mir diese Erklärung. The Kilians, eine in sich schlüssige, gut harmonierende Truppe, die das Zeug hatte, vielleicht auch mal die großen Bühnen beschallen zu dürfen.

Danach wieder das lustige Umbautreiben bis Pale anfing, gut anfing, schnell. Hüft- und kopffedernd verfolgte ich das Geschehen. Doch schon nach den ersten Stücken die symptomatische Aussage des Leadsängers: <<Vorhin sagte ein Mädchen zu mir: Ich freue mich schon riesig, aber bitte spielt auch die alten Sachen. Ich sagte nur: keine Chance.>> Er zupfte kurz auf der Klampfe rum und fuhr fort: <<Ok, dann haben wir uns gedacht, spielen wir doch einfach unseren schlechtesten Song.>> Weit gefehlt. Das war euer bester, Jungs. Rockig und energetisch. Das was danach folgte war immer noch hörenswert, sicherlich, aber eben bei weitem nicht mehr so konzertreif. Ich bin Pale-Fan, kein Zweifel, aber was sich da vor meinen Augen abspielte, war ein lehrbuchmäßiger Ablauf des Band-Phänomens, sich zwanghaft weiterentwickeln zu müssen. Der Trieb: Altes ist scheiße, Neues muss anders und ausgefallener und Hauptsache kompliziert sein, wurde live auf der Bühne vorzelebriert.

Die erste Pale-LP war einfach gestrickt, aus dem Bauch heraus, zum mitgehen und mit Herz. Mit Herz war auch das zweite Album, nur zum einen langsamer und zum anderen einfach überproduziert. Der Verlierer dieser Entwicklung war wieder mal der Groove. Ich erinnerte mich an ähnlich geführte, bandinterne Diskussionen und auch an den Rat des Eferdinger Musikurgesteins Eddie, den er uns damals im zarten Alter von 16 mitgab: <<Hauptsache es grooved!>> Er hatte es geschafft, den Kern von Musik pointiert in nur drei Worten auszudrücken. Grooven muss es.

Pale allerdings schien das nicht zu interessieren. Die Bühnenperformance war mehr und mehr überdeckt von zahlreichen übergestikulierten Körperschlenkern des Sängers, der zudem oftmals noch um Ruhe aufforderte. Bei einem Konzert um Ruhe bitten, der Sargnagel, das war ein No-Go der ganz fiesen Sorte, besonders bei einem Rockkonzert.

Fast allerdings hätte er noch die Kurve gekriegt, als er meinte: <<Wir haben doch noch was Altes für euch.>> ... Pause ... <<Christian, der ist richtig alt und singt jetzt den nächsten Song für euch.>> Doch die restlichen Stücke, die Pale spielte, erinnerten mich eher an Joggen mit Musik. Töne zum weggleiten, einfach fließend durch die Gegend schwimmen, zwar schön, verträumt, musikalisch gut, aber eben nicht rotzig genug. Viele dieser Bands kriegen ja nochmals die Kurve und kommen zum Wesentlichen zurück. So auch bei Heinz aus Wien. Deren erstes Album war dreckig, rockig, gut. Zweites wurde dann allerdings in Seattle vom ehemaligen Nirvanaproduzent aufgenommen. Das Resultat: Überproduktion, zuwenig Dreck und nah am Lieblosen.

Den Rest des Konzertes verbrachte ich gemütlich im hinteren Drittel des Raumes. Ich steckte mir eine Zigarette an, inhalierte einige male tief und driftete während „take me out, bouncers“ hinfort. Tiefe Züge in denen ich den glimmenden Spitzkegel des Unheils anstarrte. <<Desto kräftiger man einsaugt, desto schneller erlischt sie>>, dachte ich, <>, grübelte ich. Die Lebensparabel im Hinterkopf ein letzter tiefer Zug und dann am Boden ausgedämpft.

Danach musste ich an den Auftritt selbst denken: Die Band ‚Marathon’ war die Zigarette, die bald schon mal geraucht werden wird, zuerst jedoch noch gedreht werden muss. Papers und Tabak lagen noch lose nebenher. Die Kilians hingegen waren frisch entzündet, man konnte sie tief einsaugen und sich berauschen lassen. Pale allerdings, die sah ich dem Filter bedrohlich nahe kommen, beinahe ausgeraucht."

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Ganz grandios:
"Nach diesem Abend konnte ich nicht auch noch Härte gegenüber mir zeigen."

Erinnern Sie sich übrigens dran, dass die Kilians die Vorband zu Tomte waren damals auf der Reeperbahn, ein Abend der damit endete, dass Du mit den Tomte-Jungs am Kicker standest, ein sehr spektakulärer Beginn Deiner HH-Karriere und der Abend an dem ich das Hamburger Szenegetränk "Mexikaner" kennenlernte, ein Lampenausmacher vom allerfeinsten!

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Nah dran, nur waren es Kettcar-Jungs am Kicker, genauer gesagt der Bassist Reimer Bustorff, der übrigens beim Konzert im Molotow neben mir Stand und aufgrund seiner Größe jeglichen Bühnenblick verhagelte.

Jetzt wo du es sagst, erinnere ich mich noch, dass du mir erzählt hast, dass die Kilians Tomte-Vorband waren - ich bin ja wie üblich ein Stück zu spät gekommen.

Dass das allerdings der jungfräuliche Abend der Mexikaner war, das vergesse ich sicherlich nicht!

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da kriegt man ja richtig heimweh. sehr schön zu lesen, wie immer.

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schöne erlebnisberichte, ersuche um voranmeldung bei nächstem heimatbesuch.

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