Hamburgs Bewegungsmelder



 


Hamburgs Bewegungsmelder


Hamburgs Bewegungsmelder


Mal vorweg Danke! an den Besuch für die kongenialen letzten beiden Wochen. Bunt getriebene Ereignisse, tief sitzende Eindrücke und eben auch Substanzverluste, die alle bis dato nachwirken. Daher hatte ich eigentlich ja geplant die nächsten Tage ruhiger anzugehen, um wieder aufzutanken, bei viel Sport, Lektüre und Spaziergängen. Heute wurde ich jedoch gefragt, ob ich nicht nach Ludwigshafen und Umgebung (Mannheim, Neustadt, Speyer, Worms, ...) mitfahren möchte, um die dortige Einzelhandelsstruktur zu erheben. Klarerweise willigte ich ein, da diese Gegend dem Hören nach zu den schönsten Deutschlands zählt, nicht zuletzt aufgrund des wertvollen Stückes Kultur dort und den optischen und gaumenfreundlichen Möglichkeiten der südlichen Weinstraße.

Dem nicht genug. Obwohl ich mich lange dagegen zu wehren versuchte, Ausgelaugtheit vorwinselte, ließ ich mich letzten Endes doch dazu bekehren, das Wochenende nicht an der Elbe, sondern in Düsseldorf zu verbringen, um dem Schauspiel der beiden Kultvereine Fortuna Düsseldorf und St. Pauli bei zu sein. Angst macht mir hierbei vor allem die Tatsache, dass dieser Regionalligaknüller am 11. 11. stattfindet und Düsseldorf letztlich nicht nur für die längste Theke der Welt, auf welcher man vorwiegend untrinkbares Alt zapft, sondern auch für seinen Karneval bekannt ist.

Ob das mal gut geht ... Ich bin gespannt ...

"Strukturerhebung"


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„Ich war kurz in der Hamburger Schule“

Die intensiven Wochenenden voraus, fühlte ich mich in den Kiez eingewachsen. So verwunderte mich auch nicht, dass ich in „der kleinen Pause“ (eine empfehlenswerte 24/7 Imbissstube in St. Pauli, die u.a. ½ Hendel mit reichlich Beilage um 2,50, Astra um 1,50 und Caipi um 1,99 in immer freundlicher Manier servierte) angefragt wurde, wo es denn hier zur Reeperbahn gehe. Ich blickte mich kurz um, suchte Orientierung und antwortete selbstsicher: „Kein Problem. Ist nicht weit, brauchst nur hier raus, links, links und dann immer gerade aus gehen“. „Danke“, die gläubige Antwort. Wir aßen und verließen nach gefälliger Verabschiedung die Tunke. Da wir ebenfalls direkt auf den Kiez zusteuern wollten, gingen wir ebenfalls links, links und dann gerade aus und standen mitten in einer Sackgasse. „Na toll, ... super Wegbeschreibung“, murmelte ich und fragte den flaschenpfandsammelnden Punk neben mir nach dem Weg. Nach drei kurzen Armbewegungen und den Worten „hier ... hier ... und dann hier“ wussten wir bescheid. „Alles klar“, antwortete ich trocken und war kurz irritiert, ein wenig gedankenverloren, da meine geographische Verwirrung mehr und mehr meiner Verwirrung bezüglich Zukunftsplanung zu ähneln begann.

Wir machten noch einen kleinen Umweg über die Flakturmlocation „Übel & Gefährlich“ und begaben uns schließlich auf den Kiez, schlenderten den Hamburger Berg entlang und ließen uns bei einem „Hotel am Berg-Menü“ - Astra und Mexikaner - nieder. Es war sicherlich nett dort, doch kein Ground für den ganzen Abend, es sei denn man wollte mit der Generation 50+ über deren teils skurile Probleme diskutieren, gelgentlich nach seiner Herkunft gefragt werden und den Stammgast zur Linken Stück für Stück vom Hocker kippen sehen. "Jetzt aber los hier". Wir aßen auf und machten uns auf die Suche nach einem für Berg-Verhältnisse ruhigem Ambiente.

Nachdem jede Pinte bis zum Anschlag vollgestopft war, ließen wir uns schlussendlich erschöpft in die Couch einer ¾-vollen Retrobar fallen, welche lieblich eingerichtet war. An den Wänden 70-iger Jahre Tapeten, rundschmucke Leuchten, vereinzelt Blumen und eine Menge Stil, der durch die rauchschwadige Luft schimmerte. Nach einer netten, besinnlichen Stunde bekamen wir jedoch Lust auf ein durchaus raueres Flair und fanden so 2 Türen weiter im „Blauen Peter“ nebst unser Ziel. „Blauer Peter ist Punkkult“, hieß es. Tatsächlich. Schon auf der Tanzfläche machte sich diese Stimmung und das zugehörige Publikum breit. Hier ein 1860-Schal, dort ein Astraposter und Unmengen an St. Pauli „Gegen Rechts“-Sticker, „Der meistverkaufte Fanartikel überhaupt“, wie mir der Barkeeper unaufgefordert verriet, während ich auf den Aufkleber schielte.

Es war herrlich an der Bar, genug Gesprächsstoff und einen Mann hinter dem Mischpult, der bereitwillig unsere Songwünsche knipste. Mein persönliches Highlight war allerdings der Moment, indem ich entdeckte, dass der halbe Liter Holsten nur 1,60 kostete. Adrenalingepumpt fuchtelte ich herum und bestellte sofort ein solches. Auf die Frage nach der Kostenstruktur und wie man denn solche Preise überhaupt am Kiez ermöglichen konnte, bekam ich vom Barkeeper eine überaus interessante Geschichte über die Hamburger Punkszene und deren damals ausgehandelten Verträge zu Ohren.

Irgendwann hatte ich dann genug vom Billigholsten und entschied mich kurzerhand Miriam noch das Grünspan zeigen zu müssen; es war ja schließlich erst 06.30 gewesen. „Die beste Soundanlage der Stadt“ stand auf einem kleinen Schild am Eingang und ich schaffte es dennoch innerhalb von Minuten hinten auf der Tanzfläche bei den Sitzbänken, direkt vor den Boxen einzunicken. Ein paar erholsame Momente später weckte mich Miriam und geleitete mich zur U-Bahn. Ich hielt die Augen besser geschlossen und ließ mir den Weg weisen. „Angenehm“, dachte ich, „Fortbewegung im Schlafzustand“. Dabei erinnerte ich mich an den Tipp, den ich Martin noch am Freitag zuvor gab: „Einfach nicht hinsetzen beim Heimfahren, dann packt man es leichter“. Schon am darauffolgenden Samstag jedoch vergaß ich selbst darauf zu achten und wurde vom Schaffner in Barmbek aus den Träumen buxiert. Auf seine Frage nach dem Fahrschein konnte ich ihm zu seiner Verwunderung zuerst nur meine Bankomatkarte, dann Kreditkarte und schlussendlich doch die Fahrkarte reichen. Ich beschloss mir extra für die Heimwege Koffeintabletten zuzulegen.

Samstags war es regnerisch, charakteristisches Hamburg Wetter. Das Laub auf den Gehwegen war aufgeweicht, kein Rascheln das beruhigte, aber ein leichtes Nieseln das selbiges tat und der gereinigte Duft, der durch die Alleen zog, untermalte das Herbstbild. Am Weg zur U-Bahn tarnten sich überall kleine Pfützen unter den Blättern. Miriam tapste in eine rein. „Mist, verdammte Letten", gärte sie erschrocken. „Lästere doch nicht über´s Baltikum“, meinte ich. Sie lachte, ich schüttelte nur den Kopf und legte meinen Arm um ihre Schultern.

Wir waren am Weg zur CD-Release Party von "Janka" im Nachtasyl, ein Veranstaltungsraum im Dachgeschoss des Thalia-Theaters. Am Aufgang hing ein Schild auf dem stand: „Noch 82 Stufen“. „Kein Problem“, dachte ich und hörte im selbigen Moment vom Über-Ich rüberrufen: „Ja, ... täusch dich da mal nicht“. Die letzten Tage, Wochen waren inhaltsstark und letztlich nicht unanstrengend gewesen, viel gesehen, sehr viel sogar und dabei auch jede Menge Substanz verschlissen. Montag bis Mittwoch wurde zumeist genutzt, um die Projekte im Unternehmen voranzubringen, darunter ein Flug nach München zur Expo, einige Tage in Düsseldorf, ein Kurzbesuch in Bremen und der Rest im Büro. Mittwochs flog dann zumeist der Besuch in Hamburg ein und erhielt am selbigen Abend eine kleine Szene-Einführung, welche jedes mal in eine größere ausartete.

An der Kasse wartete schon Kai mit seiner Freundin Katrin auf uns. Als ich ihm von den letzten Tagesereignissen erzählte, meinte er schlicht: „Du kommst aber auch gar nicht mehr vom Kiez runter“, und er hatte Recht. Mich durchdrang das Gefühl, als ob mein Körper zu 74 % aus Astra, zu 17 % aus Holsten und der Rest aus Koffeingetränken und Brandlöschern bestand.

Als Support von "Janka" gab es „Herrenmagazin“, „junges Glück“ und „Schrottgrenze“ zu lauschen und so hatten wir noch einige Zeit uns ein wenig umzusehen. Neben mir an der Bar stand Barbara Conrad, die Bassistin von „Zuhause Pop“ und trank Astra, während ich beobachtete, wie Mann für Mann, Frau für Frau eintraf und sich der Raum füllte. Ich stellte mich neben Thees Uhlmann, Ronald Strehl und Reimer Bustorff und lauschte der Band. Da standen wir also, „Tomte“, „Zuhause Pop“, „Kettcar“ und ich. Es war einfach schön und unkompliziert.

Bevor wir aufbrachen nahm ich noch einen Schluck selbstgemachte Gemüsebrühe vom Sänger von „Herrenmagazin“. Auch Reimer war schon losgezogen, da er noch im Grünen Jäger, es war ja Club van Cleef, auflegen sollte. Wir hinterher. Ein kurzer Currywurststop am Hinweg, Stempel holen und hinter Thees durch den Eingang.

Äußerlich glich der "Grüne Jäger" eher einer Abrissbude, das Innere jedoch viel mehr einem Nirvana für Alternative. Das Erdgeschoss war mit einer größeren Bar ausstaffiert, genügend Tanzfläche und Stehraum, im 1. Stock Stoffsofas, Fernseher und Dimmlicht, allerfeinstes Wohnzimmerflair im gemütlichen „großen Familie“ Stil.

Wir wirbelten auf der Tanzfläche und beobachteten wie Reimer ein Tanzgewitter losdonnern ließ und jeden Song energisch eintanzte. Ein genialer Mix aus Sound und Bands, den ich nur selten in so schöner Harmonie präsentiert bekam. Harmonisch aber vor allem auch das Publikum. Eine dichtgedrängte Menge, die freundlich und energiegeladen zugleich, Körper an Körper die Nacht zelebrierte. So war ich auch nur kurz verwundert, als ich einen kahlhaarigen Bullen neben mir - Kategorie Security - mit einer ausgelassenen Tanzbewegung nahezu ummähte und er mir nichts außer ein verzeihendes, gut gelauntes, zur Musik wippendes Grinsen entgegen brachte. Das war große Stimmung, ein wundervolles Publikum, Ohrenschmaus á la carte und somit ein toller Abend.

Die Geschehnisse der Tage zuvor führten sonntags dazu, dass die meisten Versuche aufzustehen wieder mit einem Sprung zurück ins Bett endeten. Als es dämmerte machten wir uns letztlich doch auf, den Wochenausklang bei einem Schanzenkaffee zu genießen und tief verträumt in die Straßen des Szenemekkas zu blicken, indem sich der Übergang von Dämmerung zur Nacht vollzog. Nach einem Milchkaffee ohne Milch und einem Cappuccino wollte ich Miriam unbedingt noch das Haus 73 zeigen und so zogen wir einige Meter weiter, um den Auftritt von Kate Mosh aufzufrischen und noch ein wenig Restluft der Poetry-Slams zu erhaschen. Wir begutachteten das Interior. Wieder Tapete, wieder Retro, rotgedämmtes Licht und rote Sitzgelegenheiten, auf denen sich Jungs und Mädels mit roten Backen, von der Eiseskälte auftauend, räkelten. Mir gefiel das Ensemble einfach zu sehr und wie üblich fasste ich dann auch den Vorsatz, irgendwann selbst ein solches Nachtlokal zu besitzen.

Nach einiger Zeit der Schwärmerei und Fantasterei über was wäre wenn und wann könnten wir das wo genau wie machen, drängte der Zeiger gegen letzte U-Bahn und wir fuhren mit dem guten Gefühl, etwas sonderbar Schönes erlebt zu haben, nach Hause.

Janka Tomte Kettcar Zuhause Pop

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schöne geschichten wie immer. steht bei deinem lieblingsschlafplatz im grünspan schon ein reservierungsschild?

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ganz toller schrieb, das liest sich schön flüssig und sehr bildhaft. apropos: schönes bild und schönen gruß!

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hehe, tolles wochenende. beim nächsten ausflug nach hh dürfts ja an möglichkeiten zur abendgestaltung nicht mangeln. endlich weiss ich jetzt auch wies im grünen jäger aussieht, beim letzten aufenthalt in hh sind wir leider nur bis zur gartentür vorgedrungen, weil erst eine stunde später geöffnet wurde. die temperaturen waren leider nicht passend für warten.

wie waren schrottgrenze, mir ist als hätten die vor einiger zeit in wien gespielt.

bezüglich der längsten theke der welt hab ich schon furchterregenderes erlebt. am 11.11. wirds zwar sicher anders abgehen, bei meinem aufenthalt damals wars aber nicht viel spektakulärer als bermudadreieck oder altstadt.

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Es war nur der Sänger von Schrottgrenze zugegen und der performte unplugged - der Stil dürfte sich von Punk zu Indie gewandelt haben. Zumindest war das, was ich hörte alles andere als Punk. Es kann gut sein, dass die unlängst in Wien waren, ...

Ich war ja vor einigen Wochen schon in Düsseldorf und das war wirklich unaufregend - viel Altbier, das wars. Im Karneval soll das angeblich aber ganz anders aussehen. Wer weiß ...

Da wir aber unsere Schlafgelegenheit jetzt ohnehin in Köln haben, werden wir nach dem Spiel "Kölle Alaaf" singen und dort die Feste feiern. Da ists wie man so hört alles andere als langweilig ...

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davon kannst du sicher ausgehen...

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