Hamburgs Bewegungsmelder
gerf, 21. August 2006 um 19:05:04 MESZ Hamburgs Bewegungsmelder Der Sommer tritt seinen Rückzug im Norden an. Es regnet häufiger und fast täglich erwischt mich ein Platzregen. Letzten Mittwoch (16.8.06) erwartete man Regina Spektor (Hörprobe) in Hamburg. Ich war mit dabei, bzw. fast. Rückblickend und nach den Wochenendgeschehnissen (HSV-Cottbus und Berlin) die Zeilen des Local Hero Lotto King Karl: "Es wär` alles noch viel schlimmer ohne Fussball und Dosenbier."
gerf,
21. August 2006 um 19:06:45 MESZ
Das Moleskine geöffnet blicke ich zurück auf "meinen ganz persönlichen Scheißtag 16. 8. 2006 Alles war perfekt geplant. Gegen 18.00 Uhr von der Arbeit heim, kurz frisch machen, Kleinigkeit essen, gegen 19.30 in die UPS Zentrale, dann Regina Spektor live. Ein guter Plan. Ich fieberte dem Abend entgegen. Ich fuhr los, lag gut in der Zeit und musste Richtung Industriegebiet, wo die UPS Zentrale stationiert war. Am Hinweg bemerkte ich wie die Gegend nach und nach öder wurde, sich ein rechteckiger Klotz an den anderen drängte, die Straßen menschenleerer und die wenigen verbliebenen Passanten grießgrimmiger wurden. Ich hasste Industriegebiete und ich hasste dieses ganz besonders. Eine Seite von Hamburg die ich nie kennen lernen wollte, nie sehn wollte. UPS war ein riesengroßes Quadrat, ringsum mit Lastwagen umstellt, so dass ich Mühe hatte das Kundenservice zu finden. Vereinzelt liefen Mitarbeiter ums Gebäude, jeder davon genervt, unfreundlich, arrogant, prollig und so richtig verachtenswert. Ich hasste sie alle dort, aber da kannte ich ja das Weibsbild bei der Paketausgabe noch nicht. Ich war 50 Minuten lang hingehechelt, hab mich einige male verfahren, war verschwitzt und musste mich daher um Höflichkeit bemühen. Ich wollte das ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen. „Guten Tag. Bin ich hier richtig, bei der Paketausgabe?“ ... Keine Reaktion. Das blondierte, widerwärtige Miststück klotzte ohne Regung weiterhin auf ihren Bildschirm. Es war ein hässlicher Bildschirm. Sie passten wunderbar zusammen. Ein tolles Paar, könnte man so sagen ... „Wie heißen Sie denn?“ kam ihre widerwillige Anfrage entgegen. Nachdem Sie meinen Namen auch beim 3. Anlauf falsch wiederholte, buchstabierte ich ihn schließlich. Ich verspürte ein unwohles Gefühl in der Magengrube. Das Gefühl, das man zumeist im Umgang mit Behörden bekommt. Das Gefühl, dass es nicht so laufen würde wie man annahm. Es breitete sich aus und wurde dominanter. Ich streckte ihr den Abholschein und die Paketnummer entgegen. „Alles klar, gleich gibt’s Frau Spektor“, dachte ich und machte mich aufbruchfertig. „Personalausweis!?“ ... Zack, da war es. Ich zuckte zusammen. Da war es, das Wort mit dem ich nicht gerechnet hatte, das Wort, das den ganzen Abendplan, die ganze Stimmung auf einen Sitz zerschlagen konnte. Mich schauderte. Einige Tage zuvor noch holte ich mit einem identischen Schein mein Notebook bei einer Packstation ab. Das sind so neuartige Dinger der Deutschen Post. Man hielt den Schein vor den Scan, trug den Namen ein und et voilá, nahm das Paket entgegen. So einfach konnte es sein. Nicht jedoch hier. „Hab ich nicht bei mir. Ich hab gedacht die Nummer auf dem Paketabholschein und Unterschrift genügt“, meinte ich und sah mich schon fluchend ohne Paket losziehen. „Ohne Personalausweis kein Paket“ Ich kochte innerlich, verabscheute sie, ekelerregendes Ding. Diese Pedanterie; wie konnte sie nur. Bei mir mischte sich Zorn, Boshaftigkeit und eine Spur von Resthoffnung, dass ich sie doch noch rumkriegen würde, mir das Paket auszuhändigen. Ich erzählte die Geschichte von der problemlosen Packstationabhole, wurde dabei mit jedem Wort lauter und beleidigender, sagte ihr, dass ich extra 50 Minuten mit dem Rad hingefahren sei, es nur zusätzlichen Aufwand für UPS bringe, wenn sie das Paket noch mal zustellen müssten und ich ja ohnehin wieder nicht zuhause sein werde. Hoffnungslos. Ich quengelte noch ein wenig, bis ich irgendwann wortlos abdrehte, mich aufs Rad setzte und fuxteufels wild Richtung St. Pauli fuhr. Es begann zu nieseln und schnell wurde daraus heftiger Regen. Dann ein Wolkenbruch. Ich auf dem Rad mitten im Nirgendwo. Im brachen, verlassenen, ekelerregenden Industrieviertel. Diese Art von Abkühlung fehlte mir gerade noch. Ich fuhr und fuhr. Durch den Regen, wutentbrannt, die Kleidung klatsch nass. „Schlimmer kanns nicht mehr kommen“, dachte ich. „Beim Konzert ein gemütliches Bier, beruhigst dich wieder, lasst den Abend nett ausklingen“ Wieder fragte ich nach dem Weg und wieder stand ich genau vorm Ziel. Wie peinlich. Da ich keine Vorverkaufskarte hatte war ich erfreut, dass keine Menschenmassen anzutreffen waren. Bevor ich rein wollte, überlegte ich noch, ob ich nicht noch kurz den Frust der Paketgeschichte beim nächst gelegenen Kiosk löschen sollte, entschied mich dann aber dazu, zuerst die Eintrittskarte zu besorgen. Ich ging rauf und war verwundert, dass so wenig los war. Sie gab schließlich nur 2 Europakonzerte heuer. Die Säle müssten doch aus allen Nähten platzen, dachte ich und sah auf ein klitzekleines Schildchen. „Konzert auf 29.11.06 verschoben“ stand da. Keine Ankündigung im Internet, den Kartenvorverkaufsstellen, nichts. Mein ganz persönlicher Scheißtag war perfekt. Ich beschloss auf die Reeperbahn zu fahren, setzte mich in die „barbarbar“, bestellte Astra und schrieb ins Moleskine. Nach dem 3 Astra lernte ich 2 Ostfriesen kennen, die Plattdeutsch schnackten – ein witziges Volk. Ich fühlte mich wieder zurück im Tag, trank noch Astra, streute mal ein Becks ein, unterhielt mich prächtig und vergaß völlig die anstehende Präsentation vorm Chef am Tag darauf." ... link
unitedlovers,
21. August 2006 um 22:14:02 MESZ
feiner schrieb. erinnert mich an unzählige besuche bei der post hier. man merke: holst du irgend etwas von der post ab, habe immer das ausweislein bei dir. schön, von dir zu lesen. lass mal news bezüglich deinem arbeitsalltag rüber. was machst du dort den ganzen tag? außer kaffee holen ;-) schöne grüße aus wien 7! ... link
gufo,
22. August 2006 um 20:17:37 MESZ
echt ein scheiss tag, da kanns nur besser werden! Hab am frequency einen netten spruch auf einem t-shirt gelesen, so zum aufheitern, hat mich an stammtisch "voigas" erinnert, nur dass der irgendwie um einiges kreativer war: Stammtisch Dicht ins Dunkel Trinkt da jemand? und dazwischen das licht-ins-dunkel zeichen, irgendwie nett! naja, viel spass noch und freu mich schon auf den nächsten bericht! ... link
unitedlovers,
23. August 2006 um 09:03:19 MESZ
kopf hoch guffon! scheiß tage hat jeder und das schöne daran, am nächsten tag geht trotzdem wieder die sonne auf! dein seelentröster padre m! edith: da hab ich jetzt was missverstanden. du beziehst dich auf gerf, na dann kopf hoch gerf! ;-) ... link ... comment |
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