Eben fuhr ich mit der U-Bahn nach hause. Total gedankenversunken saß ich im Sessel der U6, bis mir ein massiv stechender Geruch in die Nase fuhr. Als ich mich umsah, erkannte ich einen mit zerissenen Klamotten bekleideten Jungen/Mann (vermummt) durch das Abteil schwanken. Seine Annäherung bis auf 1 Meter reichte, um mich mit seinem Geruch aus meinen Tagesträumen zu reißen. Er tat mir leid und trotzdem konnte ich mir einen abstoßenden Gesichtsausdruck - aufgrund des Gestankes - nicht verkneifen. Ich blickte mich um und bemerkte dass meine Mitpassagiere ähnlich reagierten. 3 Reihen weiter vorne nahm er schließlich, gegenüber von 2 jungen Mädels, Platz. Was dann passierte, ist der Anlass warum ich diese Geschichte erzählen möchte. Anders wie ich erwartete, blickte das Mädchen den Mann freundlich lächelnd - ohne nur eine nur in irgendeiner Weise anwidernden Miene - an und fragte ihn, ob er denn ein bißchen Kleingeld von ihr haben möchte. Natürlich nahm dieser das Geld gerne an und bedankte sich mit einem mir nicht auszumachenden Gegenstand. Was mich so fasziniert hatte, war, dass die Mädchen weiter freundlich dreinblickten und ein Gespräch mit dem Mann anfingen. Genauso, als wenn sich 3 Freunde miteinander unterhalten würden. Ich verfolgte diesen Dialog mit größter Erstauntheit und Bewunderung. Bei der Station Alser Straße verabschiedete sich nun der Herr und fing umgehend an, im nächsten Mistkübel zu stöbern. Aber auch nach seinem Verschwinden blieben die 2 Mädels völlig normal. Keiner schien darüber reden zu müssen, warum und wieso. Es war also völlig natürlich, dass sie so mit ihm umgehen würden. Dies mag jetzt alles nicht so aufregend klingen, hätte man diesen Herrn nicht selbst gesehen und gerochen. Ich verspürte tief in mir ein gutes, warmes Gefühl aufkommen und gewann ein Stückchen Glauben an das Gute im Menschen zurück.

Mit einem bitter-süßen Eindruck verließ ich die Station und bewegte mich mit neuer Hoffnung Richtung 46er. Ich packte mein Ciabatta aus und begann zu Essen. Dies dürfte anscheinend einen umhertorkelten anderen Obdachlosen den Anlass gegeben haben, mich um Kleingeld zu fragen. Noch vom gerade Erlebten ergriffen, fuhr ich ohne zu zögern in meine Geldtasche und gab ihm 2 Euro. Ich quittierte meine Gabe mit einem freundlich gemeinten "oba ka Bier drum kaufen, goi". Und jetzt der Hammer. In gebrochenem Deutsch antwortete er mir: "Na na, ... (Pause) ... eh ka bier ... (Pause) ...", kurz dachte ich, alles ok, ... aber dann: "... a achtal, a achtal Weiß, wauns sei derf". Flux sah ich mich in die Realität zurück geschoben.

Nichtwissend ob ich lachen oder traurig sein sollte, fuhr ich schmunzelnd und kopfschüttelnd heim.