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Kohle der Zukunft: Von Jürgen Langenbach (Spectrum) 21.08.2004 Seit 130 Jahren träumen Visionäre von der unerschöpflichen Energie: Wasserstoff. Ob die Quelle wirklich angeschlagen werden kann, ist fraglich, die technischen Probleme sind enorm. Eine Ernüchterung. U nd was werden wir später einmal statt Kohle verbrennen?', fragte der Seemann. ,Wasser', antwor tete Smith: ,Wasserstoff und Sauerstoff werden für sich oder zusammen zu einer unerschöpflichen Quelle von Wärme und Licht werden, von einer Intensität, die die Kohle nicht haben könnte. Das Wasser ist die Kohle der Zukunft.'" So prophezeite es Jules Verne 1874 im Roman "Die geheimnisvolle Insel". Viele haben es gelesen und weitergesponnen, heute ist die Rede von der Ablösung der Kohlenstoff- durch die Wasserstoffwirtschaft Gemeingut. "1,2 Milliarden Dollar" werde man in die Forschung stecken, auf dass "Amerika die Welt anfüh-re bei der Entwicklung sauberer, wasserstoffgetriebener Automobile", proklamierte George Bush 2003. Noch höher hatte im Jahr zuvor Jeremy Rifkin, der wortgewaltigste aller Umweltaktivisten, in seinem Buch "Die H2-Revolution" die Ziele gesteckt: Wasser respektive Wasserstoff verspricht Energie ohne Ende und ohne Umweltbelastung - Wasserstoff (H) verbrennt im Idealfall zu nichts als Wasser (H2O) -, Friede an allen Ölfronten und auch sonst das Heil der Welt. Weil nach der Revolution das Wundermittel in jedem Haushalt hergestellt und bei Bedarf mit dem Nachbarn getauscht werde, werde es sich allmählich zum weltweiten Verbund vernetzen und mit dem Internet "zum ersten Mal in der Geschichte eine wirklich demokratische, dezentrale Form menschlichen Zusammenlebens" ermöglichen. Aber die Chemie, sie ist nicht so, und die Technik ist es auch nicht, gerade beim Wasserstoff ist alles so schwierig, dass die Zeitschrift Science in einem Sonderteil davor warnt, den Hype zu überhitzen: Daran, dass zu hohe Erwartungen geweckt wurden, seien schon andere Technologien gescheitert, die der "synfuels" etwa, synthetischer Kraftstoffe aus Erdgas, mit denen US-Präsident Gerald Ford 1975 - nach den Ölkrisen - die USA unabhängig zu machen versprach. Viel hat man davon nicht mehr gehört. Dabei scheint beim Wasserstoff auf den ersten Blick alles so einfach wie er selbst: Ein Proton, ein Elektron, das war das erste Element, das nach dem Urknall entstand, es ist heute noch das am weitesten im Universum verbreitete Element, stellt 90 Prozent aller Atome überhaupt und zwei Drittel aller im Wasser. Und Wasser haben wir schließlich genug. Nur freien Wasserstoff haben wir auf der Erde fast keinen, und ihn aus dem Wasser - via Elektrolyse - herauszuholen ist energieaufwendig. Mit heutigen Techniken kann man das nur, wo andere, wirkliche Energiequellen - Wasserstoff ist keine, er ist ein Energieträger, der hergestellt werden muss - unerschöpflisch rauschen: in Island mit seinen mächtigen Flüssen und dem oft glühenden Untergrund. 70 Prozent des Energiehungers stillt man damit, geheizt wird mit Erdwärme, der elektrische Strom kommt aus Wasserkraft. Nur die Kraftfahrzeuge und die Fischereiflotte kann man damit nicht betreiben, aber bis 2050 will man sie auf Wasserstoff umgestellt haben, es gibt genug Flüsse für Kraftwerke (Science, 305, S. 966). Andernorts, wo man nicht aus dem Vollen schöpfen kann, hütet man sich davor, Energie in der Wasserstoff-Elektrolyse zu vergeuden. Das Gas wird heute am billigsten aus Erdgas gewonnen, man kann auch Biomasse oder (vergaste) Kohle nehmen. In jedem Fall ist es teurer als Erdöl, in jedem Fall fällt das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) an. Das würde auch anfallen, würde man für die Elektrolyse kalorische Kraftwerke hochziehen. Bleibt Kernkraft, bleibt Solarkraft. Auf Letztere setzte etwa Ludwig Bölkow, der einst den ersten Düsenjäger mit entwickelt hatte, die Me-262, und sich später dem Weltproblem Nummer eins zuwandte: Mit schwungvollem Stift rechnete er vor 25 Jahren vor, dass man zur Versorgung Europas mit Energie nur einen Bruchteil der Sahara, 800 von neun Millionen Quadratkilometern, mit Solarpanelen vollstellen und den mit ihrem Strom hydrolysierten Wasserstoff dann bequem in den ausgedienten Ölpipelines transportieren könne. Weit ist die Vision nicht gediehen, in der Umweltbilanz spielen Solarzellen immer noch weniger Energie ein, als zu ihrer Produktion gebraucht wird, und, in Preisen: Solarstrom kostet heute noch zehn Mal soviel wie Strom aus Kohle. Hätte man den Wasserstoff endlich doch produziert, müsste er transportiert werden, erst mit Pipelines und Tankwagen, dann in den Tanks der Autos. Aber H ist nun einmal das leichteste Element, bei Raumtemperatur hat es das 3000fache Volumen von Benzin mit dem gleichen Energiegehalt. Man kann es zusammenpressen, so nutzen es die meisten Wasserstoff-Auto-Prototypen, aber die Tanks sind immer noch vier Mal so groß wie Benzintanks für dieselbe Distanz, die höhere Effizienz von Brennstoffzellen - wozu später - schon eingerechnet. Man kann das Volumen auch durch Verflüssigen reduzieren, aber Wasserstoff wird erst bei minus 253 Grad flüssig. Um ihn so weit zu kühlen, braucht man ein Drittel der Energie, die in ihm steckt. Man sucht Materialien, die ihn besser speichern, Metallhydride etwa, aber weit gekommen ist man auch noch nicht: "Hydrogen storage is a potential showstopper", fürchtet Peter Eisenberger, Columbia University, der einen Wasserstoff-Bericht der US-Akademie der Wissenschaften mit erarbeitet hat (Science, 305, S. 960). Produktion, Speicherung, Transport, als Nächstes käme die Verteilung: Der Aufbau eines Tankstellennetzes für 40 Prozent der US-Automobile wird auf 500 Milliarden Dollar veranschlagt. Solange das nicht steht, wird die Automobilindustrie nicht in die Massenproduktion gehen - HydroGen3, ein Prototyp-Kfz von General Motors, kostet eine Million Dollar -, und solange es keine Massenproduktion gibt, wird niemand ein Tankstellennetz aufbauen, Henne und Ei. Heraushelfen könnten erschwingliche Motoren, die den Wasserstoff schlicht verbrennen wie heutige Motoren das Benzin, technisch ist das etwas schwieriger, aber BMW, Ford und Mazda wollen in wenigen Jahren lieferbereit sein (Science, 305, S. 964). Damit würde allerdings der große Vorteil jenes chemoelektrischen Energiewandlers verspielt, den William Grove 1839 zu Papier brachte: die "galvanische Gasbatterie", oder auch Brennstoffzelle, theoretischer Wirkungsgrad 83 Prozent. Die enorme Ausbeute kommt daher, dass keine beweglichen Teile gebraucht werden: Eine Brennstoffzelle besteht aus zwei Elektroden, die durch eine Membran getrennt sind. Die Anode wird mit Brennstoff umspült, etwa Wasserstoff, die Kathode mit einem Oxidationsmittel, etwa Sauerstoff. Von der Anode fließen die Elektronen, Wärme wird auch frei. Aber bei der Elektrizität setzte sich der Dynamo durch, bei der Wärme der Verbrennungsmotor, die Erfindung wurde erst von der Nasa wieder aufgegriffen und ist heute immerhin so ausgereift, dass sie Kraft/Wärme-Kopplungen im Keller wirtschaftlich betreiben kann. Automobile? Das wird eifrig beworben, von der "Initiative Brennstoffzelle" (www.initiative-brennstoffzelle.de), aber auch dort liest man Science: "Machen Autos mit Hybridantrieb den Brennstoffzellenfahrzeugen Konkurrenz?" Science selbst ist deutlicher und verzichtet auf das Fragezeichen: "Hybrid Cars Now, Fuel Cell Cars Later". Demnach liegt die Energieeffizienz einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor - als Erster ist Toyota mit "Prius" auf dem Markt - nur unwesentlich unter der der Brennstoffzelle (Science, 305, S 974). Auch die Energieversorger stellen sich auf eine längere Kohlenstoffzeit ein und experimentieren mit einer Technik, auf die nicht einmal Jules Verne verfallen ist: die der Endlagerung des klimabedrohenden CO2 (Science, 305, S. 962). In Kanada und Norwegen laufen Tests, die diesen Kohlenstoff wieder dorthin bringen wollen, wo er hergeholt wurde: in Erdöllager. Erste Befunde lassen hoffen, dass das Gas auch unten bleibt. [*] ... link (4 comments) ... comment |
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